Sechster Auftritt.

[78] Don Juan. Catalinon. Marques de la Mota. Ein Diener des Letzteren.


DE LA MOTA.

Den ganzen Tag hab' ich euch aufgesucht,

Und konnt' euch nirgends finden. Ihr, Don Juan,

An diesem Ort, und euer Freund muß schmerzlich

Noch stets entbehren eure Gegenwart?

DON JUAN.

Bei Gott, mein Freund, wohl hab' ich solche Güte

Um euch verdient. Was Neues in Sevilla?

DE LA MOTA.

Die ganze Residenz ist umgewandelt.

DON JUAN.

Die Weiber?

DE LA MOTA.

Alles abgethan.

DON JUAN.

Inés?

DE LA MOTA.

Die zieht sich nach Bejer zurück.

DON JUAN.

Fürwahr,

Der beste Wohnort für die große Dame!

DE LA MOTA.

Das Alter hat sie nach Bejer verbannt.

DON JUAN.

Dort will sie christlich sterben. – Und Constanza?

DE LA MOTA.

Das ist 'ne haarige Geschichte, traun!

Ihr gehn die Haar' an Kopf und Brauen aus.

Ihr sagt selbst der gemeinste Portugiese1:[78]

»Scher dich, o alte taube Liebesthörin!«

Und sie, halb taub, meint immer nur, er sage:

»Der dich, o holde Taube, liebet, hör' ihn!«

DON JUAN.

Und Theodora?

DE LA MOTA.

Ist den Sommer erst

Von Liebesleiden auferstanden, und

So frisch und jugendlich, daß sie vorgestern

So mitten unter zarten Redeblumen

Mir einen ihrer Zähn' entgegen spie.

DON JUAN.

Und Julia, die aus dem Lampengäßchen?

DE LA MOTA.

Mit ihrer Schminke liegt sie stets im Kampf.

DON JUAN.

Verkauft sie sich noch stets für frischen Hecht?

DE LA MOTA.

Sie ist jetzt froh, wer sie für Stockfisch nimmt.

DON JUAN.

Ist auch noch reich an Jungfern das Quartier

Von Cantaranas?

DE LA MOTA.

Canthariden sind es.

DON JUAN.

Sind die zwei Schwestern noch am Leben?

DE LA MOTA.

Freilich;

Und die Mama, die alte Aeffin, auch,

'Ne wahre Celestina2, die die Töchter

So trefflich eingeschult.

DON JUAN.

Der Teufelsbraten!

Was aber treibt die ältre Schwester jetzt?[79]

DE LA MOTA.

Die Blanca? ist ohn' einen blanken Pfennig;

Sie hat 'nen Heil'gen, dem zu Lieb' sie fastet.

DON JUAN.

Die jüngre?

DE LA MOTA.

Die hat einen bessern Grundsatz,

Verschmäht nicht Abfall noch Gerümpel.

DON JUAN.

Ei,

Sie legt sich wohl auf einen Trödelkram!

– Was Neues von galanten Schelmenstreichen?

DE LA MOTA.

Da spielt' ich mit Don Pedro d'Esquivel

'Nen ganz famosen letzte Nacht, und hab'

Noch zwei vor auf heut Abend.

DON JUAN.

Ich begleit' euch.

Auch muß ich nach 'nem Neste sehn, worein

Ich Eier für uns Zwei gelegt. – Macht ihr

Fensterparaden?

DE LA MOTA.

Paradieren kann ich

Nicht mehr; mich drückt zu schwere Liebesnoth.

DON JUAN.

Wie das?

DE LA MOTA.

Ich suche das Unmögliche.

DON JUAN.

So widerstrebt man eurem Wunsch?

DE LA MOTA.

O nein;

Man achtet und begünstigt mich.

DON JUAN.

Wer ist's?[80]

DE LA MOTA.

Mein Bäschen, Doña Anna, die seit Kurzem

Hier angelangt.

DON JUAN.

Wo war sie denn bisher?

DE LA MOTA.

Zu Lissabon, bei ihrem Vater, der

Dort als Gesandter weilte.

DON JUAN.

Ist sie schön?

DE LA MOTA.

Zu schön! In Doña Anna de Ulloa

Hat die Natur sich selber übertroffen.

DON JUAN.

So schön ist sie? Bei Gott, ich muß sie sehn!

DE LA MOTA.

Die größte Schönheit schaut ihr, die das Auge

Des Königs je gesehn.

DON JUAN.

Vermählt euch denn,

Da sie so wunderschön.

DE LA MOTA.

Der König wählte

Ihr einen Gatten; und man weiß nicht, wen.

DON JUAN.

Zeigt sie euch keine Gunst?

DE LA MOTA.

Sie schreibt mir selbst.

CATALINON beiseite.

Halt ein! Der größte Schelm in Spanien

Wirft schon sein Netz um dich.

DON JUAN.

Da giebt's ja Keinen,

Der glücklicher als ihr.[81]

DE LA MOTA.

Und ihren letzten

Entschluß erwart' ich grad in dieser Stunde.

DON JUAN.

So dürft ihr keinen Augenblick verlieren;

Ich warte hier auf euch.

DE LA MOTA.

Bald kehr' ich wieder.

CATALINON zum Diener des Marques.

Gehabt euch wohl, ihr Viereck oder Kugel!

DIENER.

Gehabt euch wohl.


Marques und Diener ab.

1

Portugiesen versahen in Sevilla die niedrigsten Dienste und wohnten im schlechtesten Viertel.

2

Die Kupplerin aus dem berühmten dialogisierten Roman »Celestina« des Fernando de Rojas, 1499.

Quelle:
Molina, Tirso de: Don Juan, der Verführer von Sevilla oder der steinerne Gast. In: Spanisches Theater, fünfter Band, Leipzig [o. J], S. 78-82.
Lizenz:

Buchempfehlung

Paoli, Betty

Gedichte

Gedichte

Diese Ausgabe fasst die vier lyrischen Sammelausgaben zu Lebzeiten, »Gedichte« (1841), »Neue Gedichte« (1850), »Lyrisches und Episches« (1855) und »Neueste Gedichte« (1870) zusammen. »Letzte Gedichte« (1895) aus dem Nachlaß vervollständigen diese Sammlung.

278 Seiten, 13.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon